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Erfahrungsbericht einer Imkerin: Urban Beekeeping bringt die Bienen in die Stadt

Bienenhaltung erlebt mit dem sogenannten Urban Beekeeping gerade eine regelrechte Renaissance – und einen Umbruch. Menschen halten die fleißigen Tierchen schon seit Jahrtausenden in ihrer Nähe, mit Urban Beekeeping erobern die Bienen jetzt auch die Stadt. Unsere Kölner Autorin Silke hält selbst Bienen in der Stadt und berichtet Ihnen von ihren geflügelten Mädels, der Haltung und den Besonderheiten dieses anspruchsvollen Hobbies.

Die Hobbyimkerei erfährt aktuell einen regelrechten Boom. Gerade in der Stadt interessieren sich inzwischen immer mehr Menschen für die Haltung der nützlichen Insekten. Aber wie passen Bienenhaltung und Stadtleben zusammen? Was im ersten Moment vielleicht ungewöhnlich klingt, ist auf den zweiten Blick gar nicht so abwegig, denn in unseren Städten gibt es ein überraschend großes Angebot unbehandelter Blüten, die vom Frühjahr bis in den Herbst auf Grünflächen sowie an Sträuchern und Bäumen blühen. Hier haben die Insekten über die Sommer- und Erntemonate oft ein abwechslungsreicheres und vor allem kontinuierlicheres Nahrungsangebot als in den landwirtschaftlich genutzten, ländlichen Gebieten. Hinzu kommt, dass die Haltung der Tiere nur wenig Platz benötigt. Selbst auf einem Balkon ist die Haltung möglich – sofern Nachbarn und Vermieter einverstanden sind.

Urban Beekeeping: „Wilde“ Tiere in der Stadt und auf Balkonien

Aufgrund meiner Liebe zur Natur und zum Honig, habe ich vor fünf Jahren beschlossen, selbst Bienen zu halten und Stadtimkerin zu werden. In einem Anfängerkurs habe ich gelernt, wie die Biene lebt und wie ich sie artgerecht halten kann. In meiner kleinen Imkerei betreue ich inzwischen fünf Völker. Sie stehen an drei verschiedenen Standorten – in der Stadt und auf dem Land – und sie halten mich von März bis November auf Trab. Im Winter bilden die Bienen eine Wintertraube in ihrer Beute (künstliche Nisthöhle) und halten sich gegenseitig warm. Meine Hilfe brauchen sie dabei nicht, sodass ich ebenfalls eine Winterpause vom Imkern einlegen kann.

Urban Beekeeping

Bienenhaltung: Eine anspruchsvolle Aufgabe

Einen exakt planbaren Ablauf meines Hobbies gibt es nicht. Bienen sind Tiere, die in hohem Maß witterungsabhängig sind. Ihr Stockleben wird von Temperatur, Niederschlag und Blütenangebot bestimmt. Diese Faktoren muss ich in meine Überlegungen und die anstehenden Arbeiten einbeziehen, denn ich unterstütze die Bienen in ihrem natürlichen Rhythmus – angefangen bei Volksaufbau und Brutpflege über die Vorratshaltung und Vermehrung bis zur Einwinterung. Im Gegenzug ernte ich einen Teil der Honigüberproduktion meiner Mädels sowie die anderen Erzeugnisse wie Pollen, Propolis und Bienenwachs. Die Ernte der reinen Überproduktion des Honigs kann ich mir als Hobbyimkerin leisten, da ich von dem Honigverkauf nicht meinen Lebensunterhalt bestreite. Viele Berufsimker ernten jedoch mehr Honig und ersetzen diesen im Herbst mit Zuckersirup, um die Bienen ausreichend für den Winter zu versorgen. Solange die Imker sich intensiv um die Gesundheit ihrer Tiere kümmern, ist diese „Ersatz“-Nahrung auch kein Problem.

Für die Haut und den Gaumen

Bienen sind fleißige Sammlerinnen von Nektar und Pollen. Aus dem Nektar produzieren sie Honig, den sie wiederum als Nahrung für sich, die Königin und die Brut nehmen. Da sie aber mehr sammeln, als sie selber brauchen, habe ich die Möglichkeit, einen Teil des Honigs abzuzwacken – ohne dem Volk zu schaden.
Aus den Produkten des Bienenstocks, vor allem aus Honig, Pollen, Propolis und Bienenwachs, stelle ich Produkte her, wie sie seit Jahrhunderten von Menschen genutzt werden. Aus Bienenwachs lassen sich nicht nur Kerzen drehen. Er ist auch essbar und kann zum Beispiel als Bestandteil für Körperbutter, Lippenbalsam oder Bartpflegeprodukte verwendet werden.

Ein Hobby für Alle?

Bienenhaltung eignet sich für alle Interessierten, die gewillt sind, Zeit zu investieren und sich auf den saisonalen Kalender dieser gut organisierten Insekten einzulassen. Zwischen März und November sehe ich mir jedes Bienenvolk mindestens einmal in der Woche an. Das heißt, dass ich wöchentlich zwei bis drei Stunden mit der Betreuung der Bienen verbringe. Weitere Zeit fließt in die Instandhaltung der Ausrüstung, die Produktgewinnung, die Verarbeitung der Bienenprodukte und in ihren Verkauf. Zugegeben: Ein sehr zeitintensives Hobby, das für mich persönlich alle Mühe wert ist.
Neben der Zeit spielen natürlich auch die Kosten eine Rolle. Die Investitionen für das Imker-Hobby halten sich allerdings in Grenzen: Eine Grundausrüstung aus Bienenvolk, Beute, Raucher und Schutzausrüstung bekommen Sie schon für ca. 250-300 €.

Stadtimkerei

Bienensterben – Mythos oder Wahrheit?

Dass es derzeit um die Bienen wie auch um viele andere nützliche Insekten nicht gut bestellt ist, ist allgemein bekannt und kein Mythos. Dass das der Fall ist, liegt an verschiedenen Faktoren, die zum Teil nicht ganz einfach zu beseitigen sind: Bienen reagieren empfindlich auf die sich rapide ändernden Umweltbedingungen. Sie können sich nicht so schnell anpassen, wie die vom Menschen veränderte Umwelt es von ihnen verlangt. Ein mangelndes und zu einseitiges Nahrungsangebot, industrielle Giftstoffe, Überzüchtung und eingeschleppte Parasiten wie die Varroamilbe stressen und schwächen die Völker. Die Varroamilbe ist übrigens eine der größten Bedrohungen der westlichen Honigbiene. Sie setzt sich an den Arbeiterbienen fest und ernährt sich von ihrem Blut, beziehungsweise von der sogenannten Hämolymphe, der nährstoffhaltigen Körperflüssigkeit der Bienen. Dadurch schwächt die Milbe das Immunsystem der Tiere, die dann wiederrum anfälliger für andere Krankheitserreger werden, die sich natürlicherweise im Stock befinden. Gegen die Milbe helfen vor allem organische Säuren, die in einem bestimmten Rhythmus im Bienenvolk eingebracht werden müssen. Die Gabe von Antibiotika hingegen hilft den Bienen gegen die Milben gar nicht. Auch ist diese Art der Behandlung in Europa verboten, da sich dann automatisch Rückstände der Medikamente im Honig befinden.

Als Stadtimkerin versuche ich den Tieren bestmöglich zu helfen, indem ich Standorte wähle, an denen es viele verschiedene Nahrungsquellen gibt, indem ich die Varroamilbe mit organischen Säuren bestmöglich bekämpfe und indem ich die „Bienenzucht“ der Natur überlasse. Eine Garantie für eine erfolgreiche Bienenhaltung ist allerdings auch das nicht.

Ein Hobby, das uns alle angeht

Jeder von uns kann einen kleinen Teil für das Überleben von Bienen und anderen nützlichen Insekten beitragen: Wer Wildblumen sät, auf dem Balkon oder im Garten statt exotischer Pflanzen nektarspendende, bienenfreundliche Blüher pflanzt, auf Pestizde verzichtet und sich auch anderswo dafür einsetzt, tut seinen Teil dazu, eine Umwelt zu erhalten, die uns alle ernährt.

Imkerei: Aus Liebe zur Natur

Urban Beekeeping ist ein faszinierendes Hobby, das jeden begeistern wird, der sich für die Vorgänge und Zusammenhänge in der Natur interessiert. Seitdem es die Bienen erfolgreich bis in die Stadt und auf die Balkone geschafft haben, ist die Aufmerksamkeit den kleinen Insekten gegenüber stark gestiegen. Und die Wichtigkeit wird noch einmal verdeutlicht, wenn wir bedenken, dass die Bienen das drittwichtigste Nutztier, hinter Kühen und Schweinen, in der Landwirtschaft ist. Mit ihrer Bestäubungsleistung ist sie für den Obst- und Gemüseanbau unverzichtbar. Sobald die Bestäubung durch die Bienen und anderer Insekten entfällt, schwindet sofort die Menge und die Qualität der Feldfrüchte. Aus diesem Grund brauchen wir für alle bestäubenden Insekten eine intakte und artenreiche Natur. Wir Menschen stehen zwar am oberen Ende der Nahrungskette, sind aber gerade deshalb unbedingt auf die Funktionstüchtigkeit dieser Kette angewiesen. Und das unabhängig davon, ob wir auf dem Land oder in der Stadt wohnen.

Fragen Sie doch mal ihren lokalen Imker nach einer Führung am Bienenstand! Dort erfahren Sie, wie Sie selbst etwas für die Bienen tun können oder möchten anschließend vielleicht sogar selbst den Grundstein für Ihren eigenen Bienenstock legen. Viel Entdeckungsspaß dabei!

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